Wen-Sinn YANG –Violoncello
Sebastian KLINGER – Violoncello
Guido MARGGRANDER – Schlagzeug
Philipp ARNDT – Schlagzeug

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Ein Konzept wird Stück, ein Stück wird Konzept. Vor 40 Jahren hatte der Komponist Mauricio Kagel einen Traum. Er träumte ihn ein zweites, ein drittes Mal, dann erfüllte er ihn. So entstand durch viele Widersprüche und -stände Match, ein szenisch-musikalisches Traumprotokoll.
„Match“ steht als Motto über diesem Konzert. Match auf allen Ebenen: in der Musik, mit der Musik, Match der Musiker, Match der Stille. Musik hat – als instrumentale Hochleistungsdisziplin – auch ihre sportlichen Seiten. Die Begeisterung, die sie auslöst oder die ihr als enttäuschte Erwartung entgegengebuht wird, stammt aus der Arena, der zirzensischer wie der theatralischen, aus dem „Match“. Musik ist eine öffentliche Affäre, entsprechend darf sie sich aufführen. Sie bleibt dabei nicht allein, sondern kann mit starken Partnern rechnen: mit dem Volk und mit dem Theater.
Der erste Programmteil gehört dem Volk. Béla Bartók komponierte seine 44 Duos aus alten Bauernliedern, die er in Südosteuropa aufgezeichnet hatte. Interpreten stellte er frei, Stücke nach eigener Wahl zu kleinen Suiten zu gruppieren.

György Ligetis Cellosonate ist noch stark durch Bartók beeinflusst. Der erste Satz entwickelt den Dialog aus gezupften Akkorden und einem elegischen Motiv, das aus dem Tonfall osteuropäischer Folklore komprimiert ist. In den zweiten Satz baute er Reminiszenzen an den ersten ein und stärkte damit die innere Einheit des Werkes.

PLAKAT_CELLO_MATCHDer russische Komponist R. Glière kümmerte sich in den 20er Jahren um die Volkskulturen in den sowjetischen Außenprovinzen, besonders in der Kaukasusregion. Die Duos op. 53, 1911 komponiert, entstanden noch vor diesen Kreativreisen in unbekannte Kulturen. Es sind „Stücke im Volkston“, in bester romantischer und russischer Tradition.

Den kaukasischen Kulturen, ihrem Zeit- und Klangempfinden, steht Viktor Suslins Sonate für Cello und Schlagzeug wesentlich näher. Das Werk, das der russische Komponist 1983, zwei Jahre nach seiner Übersiedlung nach Deutschland, komponierte, ist durch aserbeidschanische Volksmusik inspiriert und reflektiert sie. Suslin versucht, nach Bartóks Vorbild die unbekannte Tradition von innen her zu erschließen, ihr geistiges Konzept hörbar werden zu lassen.

Der zweite Teil führt in die Welt des Theaters. Nicht will Niccolò Paganini eine Rossini´sche Opernarie zum Thema für seine Variationen wählte, sondern weil die Brillanz, die das Wesen dieser Musik ausmacht, das zirzensische Vergnügen an der Musik ausspielt. Das Werk wurde für Violine und Orchester geschrieben. Die Bearbeitung für zwei Celli hebt das Virtuose Element noch stärker hervor.

In Mauricio Kagels „Match“ machen die Musiker wirklich Theater. Doch das Stück ist vor allem als Hör-, nicht allein als Schauspiel erdacht. Es geht darin um die musikalischen Resultate szenischer Aktionen, befolgter oder abgelehnter Anweisungen, gelungener oder gescheiterter Schiedsrichterfunktion des Schlagzeugs, kurz: um Klangergebnisse menschlich-szenischer Interaktionen, um den Ernst der Musik stärker als um die Komik der Szene. Die „normale“ Hierarchie der Sinne wird umgekehrt, das Ohr sei die entscheidende Instanz, nicht das Auge.
Werner Thomas-Mifunes Bearbeitungen bilden ein gutes Finale: Populärer Musik entstammen ihre Vorlagen, ihre Virtuosität ist Paganinis Variationen verwandt, die wirklich gespielten Instrumente lassen als Hintergrund aber ganz andere erahnen: die Gitarre, das Bandoneon, gar eine ganze Band.

IMPRESSUM und Copyright:
Symphonieorchester und Chor des Bayerischen Rundfunks
Textnachweis: Der Programmtext ist ein Originalbeitrag von Habakuk Traber
Herausgegeben vom Bayerischen  Rundfunk, Hauptabteilung Musik
Fotos und copyright: Georg Thum www.wildundleise.de